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A Trip to Munich -- Bericht vom VCFE 1.0

von Jörg Linder

Den Höhepunkt dieses ereignisreichen Aprils bildeten für mich zweifellos die Tage vom 29.04. bis 02.05.2000. Zwar spürte ich noch immer die Auswirkungen des KC-Clubtreffens und des Osterfestes an den Wochenenden zuvor, aber Gaby und Helmut riefen und ich folgte. Zugegeben, das frühe Aufstehen an einem Samstagmorgen und die vollen Züge - bei dem schönen Wetter nutzte wohl jeder das verlängerte Wochenende - waren meinem Körper zuwider, aber die überaus pünktliche Bahn und das daraus resultierende entspannte Reisen entschädigten mich einigermaßen.

Am Nachmittag erreichte ich München, die selbsternannte "Weltstadt mit Herz", und schon auf dem Hauptbahnhof schlug mir das großstädtische Flair in Form zahlloser (und scheinbar zielloser) Menschen entgegen. Nach einem kurzen Trip mit der S-Bahn habe ich das Vintage Computer Festival Europa 1.0 dank Gabys sehr guter Beschreibung problemlos gefunden. Selbige - Gaby, nicht die Beschreibung :--) - stand auch gerade vor den heiligen Hallen, als ich das Gelände des ESV München Ost erreichte.

Drinnen war die Veranstaltung schon seit dem Vormittag in vollem Gange. Vom fliegengewichtigen KIM I bis zum zentnerschweren MUNIAC war alles vertreten. Natürlich mußte ich gleich einen Rundgang machen! Dabei habe ich wiederum festgestellt, daß es eigentlich egal ist, wie viele alte Kisten man schon gesehen hat. Jedes Mal entdeckt man etwas Neues und die Faszination bleibt ungebrochen.

Ich wurde kurzerhand zum Aussteller deklariert und genoß daher alle Vorzüge, die dieser "Titel" mit sich bringt. Dazu zählte insbesondere das tolle Buffet, über welches die Aussteller am Abend herfallen durften. An dieser Stelle gleich ein Lob an den Veranstalter des VCFE und den Küchenchef des ESV!

Nach einer sehr kurzen Nacht ging es am Sonntagmorgen wieder zum Computer Festival. Weitere Aussteller und viele Besucher - insgesamt 104 an beiden Tagen - belebten das Geschehen. Ich nahm an zwei Vorträgen teil. Christine Finn berichtete über die Anwendung archäologischer Prinzipien beim Sammeln von Computern.

John Zabolitzky, seines Zeichens Entwickler und Erbauer des MUNIAC, zeigte die Entstehung des Röhrencomputers vom grundlegenden Design, über den Aufbau der universellen AND-OR-INVERT-Gatter bis hin zur Realisierung in drei mannshohen Schränken. Aus der Motivation heraus, daß man keinen originalen Röhrencomputer aus den 50er Jahren erwerben kann und es weltweit nur noch zwei lauffähige Exemplare gibt, kam Herr Zabolitzky auf die Idee, sich so ein Teil selbst zu bauen. Dabei orientierte er sich zunächst an Konzepten sowohl aus den frühen als auch späten 50er Jahren, kam aber um ein paar Designanleihen von modernen DSPs nicht herum.

 

VCFe 1

Bild 1: Mächtig gewaltig: Der MUNIAC.

Für die Verwirklichung hatte ein niedriger Stromverbrauch von weniger als 4 kW höchste Priorität, so daß der MUNIAC an einer normalen, mit 20 Ampere abgesicherten Steckdose betrieben werden kann. Diese leistungsmäßige Beschränkung wirkte sich natürlich auf die Gestaltung aller Rechnerkomponenten aus. Aber auch die (Wieder-)Beschaffbarkeit der Röhren und des Magnetkernspeichers galt es zu beachten. Im Jahr 2001 soll das Projekt zum Abschluß kommen; rund 4.000 Arbeitsstunden und etwa 20.000 DM werden dann investiert sein.

Krönender Abschluß der Veranstaltung war das Nerd Trivia Challenge. Gaby wurde zu einer Teilnahme zwangsverpflichtet und zerrte mich kurzerhand mit. Ich bin schon in der Vorrunde ausgeschieden, denn "COBOL" war wohl doch nicht die Abkürzung für "COmputer Brauchen Ordentlich Leistung". ;--) (Aber mal ehrlich, wer weiß auf Anhieb, was sich hinter dieser Abkürzung verbirgt?) Glücklicherweise brauchte ich so in den folgenden Fragerunden mein Nicht-Wissen nicht zur Schau stellen. Die Antworten der Finalteilnehmer waren leider kaum zu verstehen, so daß es den meisten Zuschauern verwehrt blieb, das eigene Wissen zu erweitern.

 

VCFe 2

Bild 2: Kaum zu erkennen, aber auch so kann ein Z1013 aussehen.

Nach dem Quiz und der Verleihung des Publikumspreises war das VCFE offiziell beendet. Die Halle mußte in Ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, aber das ging ziemlich schnell, da alle mit angepackt haben. Zusammenfassend muß man den Organisatoren ein großes Lob aussprechen. Natürlich lief nicht immer alles ganz problemlos, aber das kann man von einer "Version" 1.0 auch nicht erwarten. Sollte es wirklich gelingen, das Festival jährlich auf die Beine zu stellen, dann wäre das sicherlich ein großartiger Beitrag, um die CP/M-Szene in Deutschland zu beleben. Ich würde jedenfalls gern im nächsten Jahr wieder 'reinschauen.

Den ABC-24 und den MacPlus von Gaby sowie Helmuts CPU280 haben wir wieder an ihre angestammten Plätze zurückgebracht und waren anschließend mit dem "alten Z-Festler" Andreas Kißlinger beim Italiener essen. Ganz entspannt ließen wir so den Sonntag, natürlich gespickt mit etwas Computer-Fachsimpelei, ausklingen.

Dankbar für den Feiertag (1. Mai) nahm ich die Gelegenheit wahr, mal wieder so richtig auszuschlafen. Ein ausgedehntes Frühstück, ein bißchen am Mac computern... was könnte erholsamer sein? Plötzlich kam Helmut jedoch die Erleuchtung, daß ich ja zum ersten Mal in München und eine Stadtrundfahrt somit unumgänglich sei. Zunächst hatte er das Olympiagelände ins Auge gefaßt, aber bei dem sonnigen Wetter zog es natürlich alle hinaus in das viele Grün der Stadt.

Während der Fahrt korrigierten wir unser Ziel. Vorbei am Deutschen Museum, der Philharmonie und dem Englischen Garten steuerten wir schnurstracks auf Schwabing, Münchens berühmtes Studenten- und Künstlerviertel, zu. Kaum waren wir von der blechgefüllten "Hauptschlagader" abgebogen, wirkte alles viel entspannter. Hier schien kein Mensch in Hektik zu verfallen. Ein paar Leute radelten gemütlich durch die Straßen, andere schlenderten und nutzten die Zeit für einen Schaufensterbummel, kurzum hier waren wir genau richtig.

Nach einem sehr guten Essen unternahmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch Schwabing. Dank Helmut bekamen wir eine Führung der Sonderklasse geboten. Neben der alten und der neuen Pinakothek (= Gemäldesammlung; für alle, die jetzt zum Fremdwörterbuch greifen wollten) und der Münchner Freiheit bekamen wir unter anderem den alten Friedhof zu sehen. Dieser ist wahrhaftig eine Kuriosität und für Außenstehende auf den ersten Blick mehr als verwunderlich!

Vor mehr als zwanzig Jahren beschloß man, den Friedhof nicht mehr als Friedhof sondern vielmehr als Park zu nutzen. Die Grabstellen wurden fortan nicht mehr gepflegt und was einmal hinüber war, auch nicht mehr erneuert. Natürlich dauerte es einige Zeit, bis sich die Anwohner an ihren "neuen" Park gewöhnten; und natürlich dauert es auch eine ganze Weile, bis im wahrsten Sinne des Wortes Gras über die Sache gewachsen war. Mittlerweile wird das Gelände aber gern zur Erholung und Entspannung genutzt. Lediglich für Besucher ist es äußerst befremdlich, wenn Kinder zwischen den verbliebenen Grabsteinen ihr Zelt aufgebaut haben oder Federball auf den einstigen Ruhestätten gespielt wird.

Rechtzeitig erspähten wir die immer dicker werdenden Wolken am Himmel. Bereits während der Rückfahrt konnte man spüren, daß sich ein ordentliches Gewitter zusammenbraut. Kurz nachdem wir die Wohnung erreicht hatten, legte es auch schon los. Perfektes Timing.

Auf dem Rückweg durch die Innenstadt zeigte mir Helmut bereits das Ausflugsziel für den nächsten Tag: das Schillicon Valley. Die Münchner nennen ihre Schillerstraße und deren nähere Umgebung in Anlehnung an das kalifornische Original deshalb so, weil es hier wie nirgendwo sonst einen Computer- bzw. Elektronikladen am anderen gibt. Das Herz eines Technikbegeisterten schlägt höher bei diesem Angebot: neueste Hightech-Produkte, Computer aus zweiter, dritter oder gar vierter Hand, Ersatzteile für japanische Geräte, Zubehör für Laptops, digitale Kameras und Camcorder, Fachliteratur und Bauteile bis zum Abwinken... einfach alles!

Leider war die Zeit viel zu kurz. Mein Zug fuhr zwar erst kurz vor 11 Uhr und Helmut war so nett, sich ein paar Stunden freizunehmen, aber natürlich wäre ich gern noch länger durch die Läden gezogen. Die Schillerstraße ist übrigens ganz leicht zu finden. Wenn man aus dem Hauptbahnhof kommt, einfach nur rechts halten, dann kann man das "Valley" gar nicht verfehlen.

Vollgestopft mit so vielen Eindrücken lasse ich mich in den Sitz des InterCityExpress fallen. Gern würde ich etwas verschnaufen, aber so lange die Erinnerung noch frisch ist, muß alles stichpunktartig zu Papier gebracht werden. Schließlich soll es ja ein Bericht wie dieser werden...